Pétillant Naturel oder kurz Pet Nat ist aktuell in aller Munde. Das gilt sowohl für den Begriff als auch für den absolut trendigen Perlwein selbst. Doch was ist Pet Nat überhaupt, wie schmeckt er und warum wird er in Flaschen mit Kronkorken verkauft? Wir bringen für dich Licht ins Dunkle und geben dir alle nötigen Infos, um beim nächsten Gespräch mit Kenner:innen nicht aufzufallen.
PET NAT – WAS DAS IST UND WOHER ES KOMMT
'Natürlich prickelnd' – das bedeutet die französische Bezeichnung 'Pétillant Naturel' ins Deutsche übersetzt. Dieser sprechende Name beschreibt sehr gut, worum es sich dabei handelt: die ursprüngliche und natürlichste Form des sprudelnden Weins.
Pet Nat ist ein Perlwein, dem im Gegensatz zum mittlerweile gängigen Verfahren keine Kohlensäure von außen zugesetzt wird, sondern der durch sein selbst produziertes CO² schäumt.
Um Perlweine wie Seccos herzustellen, wird normalerweise ein stiller Grundwein in großen Edelstahltanks mit Kohlensäure versetzt, um sie zum Sprudeln zu bringen. Das Verfahren ist ähnlich wie bei einem Trinkwassersprudler. Pet Nats schäumen allerdings aus sich heraus, nur mit eigenem CO². Wie ist das möglich?
Bei der Gärung von Most, also Traubensaft, zu Wein verarbeiten die Hefen den im Most gelösten Zucker zu Alkohol und CO². Normalerweise entweicht dass Kohlendioxid durch die luftdurchlässigen Gärbehälter. Beim Pet Nat wird nun allerdings der nur halbfertig vergorene Most mitsamt der Hefen auf die Flasche gefüllt und luftdicht abgeschlossen. Die Gärung geht also in der Flasche weiter und die Hefen produzieren weiterhin Alkohol und CO² aus dem Zucker im Most. Da das Kohlendioxid nun nicht mehr aus der Flasche entweichen kann, setzt es sich im Wein ab und bleibt als Kohlensäure darin gelöst.
Im Grunde gibt es Pet Nats schon so lange wie es Weinflaschen gibt. Jahrhunderte alte Berichte aus Frankreich erzählen von Weinflaschen, die aus mysteriösen Gründen im Keller explodieren. Die mutmaßlichen Geistererscheinungen sind nichts weiter als frühe Pet Nats. Wurde ein Most ausversehen zu früh abgefüllt und schlecht bis nicht filtriert, konnte es passieren, dass die Gärung in der Flasche weiterging. Da diese nicht auf den hohen Druck im Innern ausgelegt waren, zerbarsten sie.
Da Pet Nats historisch gesehen die ersten Weine mit Perlage, also gelöster sprudelnder Kohlensäure, waren, wird diese Art der Herstellung auch 'Méthode Ancestrale' genannt – altertümliche, ursprüngliche Methode.
Der erste offizielle nach der Méthode Ancestrale hergestellte Pet Nat wurde 1938 im französischen Weinbaugebiet Languedoc vinifiziert. Der große Trend der letzten Jahre fußt ebenfalls auf den aktuellen französischen Pet Nats, die langsam aber sicher Europa und die USA erobert haben. 2016 wurde der erste deutsche Pet Nat gekeltert. Seitdem werden sie von immer mehr (meist kleinen Bio-)Betrieben in Deutschland hergestellt und mit großem Erfolg vertrieben.
WIE WERDEN PET NATs HERGESTELLT?
Um qualitativ hochwertige Pet Nats produzieren zu können, müssen die Winzer:innen einiges beachten. Sobald der Most einmal in der Flasche ist, kann er nicht mehr beeinflusst werden. Schwefelung, Filtration und Schönung des Produkts sind also nicht möglich. Das bedeutet, dass die Weinmacher:innen ähnlich wie beim Naturwein im Weinberg höchste Sorgfalt walten lassen müssen. Die Weinbeeren müssen qualitativ einwandfrei sein, da schon kleinste Verunreinigungen den Pet Nat zum Umkippen bringen können.
Eine weitere Herausforderung für die Winzer:innen liegt im Timing der Herstellung. Zwar werden die Trauben für Pet Nats vollreif geerntet, da sie besonders viel Zucker enthalten müssen, um trinkbare Perlweine zu ergeben, allerdings braucht der daraus gepresste Most besonders viel Aufmerksamkeit. Sobald dieser einen bestimmten Punkt im Gärprozess erreicht hat, muss er sofort auf die Flasche gefüllt werden. So kann es kommen, dass die Weinmacher:innen noch gar nicht mit der Lese fertig sind, weil z.B. noch Beeren für Prädikatsweine eingeholt werden müssen, der Pet Nat aber schon nach Weiterverarbeitung schreit.
Das Timing in der Herstellung ist essentiell, da der Restzuckergehalt im Most ausschlaggebend dafür ist, ob die Vinifikation des Pet Nats gelingt. Wird er auf die Flasche gefüllt, wenn mehr als 25 g Restzucker pro Liter darin gelöst sind, besteht ein hohes Risiko, dass die Flaschen dem Druck nicht statthalten und explodieren können. Je mehr Zucker, desto mehr CO² produziert die Hefe. Sind bei der Abfüllung jedoch unter 10 g Zucker im Most, wird die Hefe kaum genügend Kohlensäure ausstoßen können, um dem Wein seine Perlage zu geben. Der Restzuckergehalt im Most muss also permanent überwacht werden, um den perfekten Moment des Abfüllens zu treffen.
Hierin liegt auch der Grund für die unkonventionellen Verschlüsse der Pet Nats: Sie sind in den meisten Fällen mit Kronkorken verschlossen. Diese sind speziell für Pet Nats entwickelt und halten dem immensen Druck in der Flasche besser Stand als ein Sektkorken mit Agraffe (das Drahtkörbchen am Sektverschluss).
Da Pet Nats in der Flasche vergären, ist jeder einzelne von ihnen ein Unikat. Natürlich können die Winzer:innen davon ausgehen, dass ihre Produktion ungefähr gleich schmeckt, allerdings ist es nie zu hundert Prozent klar, wie viel Zucker und Hefe genau in einer Flasche landen. So kann es passieren, dass die eine mehr sprudelt als die andere und auch unterschiedliche Hefearomen hat.
Ähnlich wie traditionell flaschenvergorene Schaumweine, die im Gegensatz zum Pet Nat auf der Flasche ein zweites Mal gären, werden die natürlichen Schäumer in seltenen Fällen ebenfalls degorgiert. Das bedeutet, dass die abgestorbenen Hefen aus den Flaschen extrahiert werden. Dazu werden die Flaschen zunächst über einen längerne Zeitraum gedreht und immer weiter zum Hals hin aufgerichtet. Dieses so genannte 'Rütteln' lässt die Hefekulturen in den Flaschenhals rutschen, wo sie dann schockgefrostet und herausgeschossen werden.
Durch den hohen Druck in der Flasche reicht es, sie schwungvoll zu öffnen und der Propfen aus gefrorener Hefe fliegt von ganz allein aus dem Flaschenhals. So kann der bei der Gärung entstandene Innendruck der Flasche schon ein bisschen minimiert werden, wenn viel Zucker zu CO² vergoren wurde. Ansonsten würden den Verbrauchern solche Pet-Nat-Flaschen beim Öffnen um die Ohren fliegen. Die meisten kommen allerdings ohne Degorgierung aus.
Dabei geht immer auch ein bisschen Wein verloren, der dann allerdings wieder hinzugegeben wird. Bei der Sektherstellung ist dies der Punkt, wo durch die Zugabe von Zucker, der so genannten Dosage, die Süße des Weins bestimmt wird. Beim Pet Nat wird grundsätzlich immer mit dem gleichen Wein aufgefüllt. Es erfolgt also keine Zuckerzugabe, sodass theoretisch von einer Zero Dosage gesprochen werden kann.
Da Pet Nats allerdings in den allermeisten Fällen trüb und ungefiltert in den Verkauf kommen, dürfen sie weinrechtlich nicht Schaumwein, Sekt etc. genannt werden und somit bleiben ihnen auch die gängigen Vokablen wie Brut, Brut Nature etc. vorenthalten. Du kannst allerdings davon ausgehen, dass Pet Nats immer durchgegoren und knochentrocken sind, da sie fast nie nachgesüßt werden.
Funfact: Auf Pet Nats wird trotzdem die Sektsteuer erhoben. Diese orientiert sich nicht an den weinrechtlichen Termini sondern lediglich am Innendruck einer Flasche. Liegt dieser bei der Außentemperatur von 20 °C bei 3 Bar oder mehr, muss die Schaumweinsteuer entrichtet werden.
PÉTILLANT NATUREL – WIE SIE SCHMECKEN
Im Gegensatz zu anderen schäumenden Weinen, bei denen die Kohlensäure der ersten Gärung verloren geht, behalten Pet Nats dieses CO² in sich. Besonders flüchtige Primäraromen wie zarte Frucht- und Zitrusnuancen gehen bei der traditionellen Herstellung oft verloren, da sie von der entweichenden Kohlensäure mitgerissen werden. Dieses Problem besteht bei Pet Nats nicht.
Sie schmecken häufig frischer und mineralischer als andere Perlweine, sind durch die ausbleibende Dosage äußerst trocken, jedoch nie so sauer wie manch ein schiefgelaufener Zero-Dosage-Champagner. Das liegt daran, dass zum einen die Beeren für die Pet-Nat-Herstellung reifer geerntet werden als die für andere Schaumweine und zum anderen an der meist zurückbleibenden Hefe. Diese puffert die Säure sehr gut und macht sie nicht zu spitz.
Um den vollen Hefe-Geschmack und die damit einhergehenden Aromen auch wirklich im Glas zu haben, sollte die Flasche vor dem Öffnen mehrfach vorsichtig (!) gedreht und gewendet werden. So verteilt sich die Hefe wieder im Wein und gibt ihren Geschmack preis. Das ist ähnlich wie bei einem naturtrüben Apfelsaft oder Hefeweizen.
Pet Nats haben eine lebendige Säure, sind äußerst frisch und können sowohl weiß als auch als Rosé ins Glas kommen. Sie eignen sich als Speisenbegleiter ebenso wie als Aperitif oder gut gekühlt als Solo-Trinkspaß an heißen Sommertagen. Daher ist er auch ein besonders guter Einstieg für Wein-Anfänger:innen!
Der kleine, an den Weinfehler Böckser erinnernde, Sponti-Stinker in der Nase ist charakteristisch und bei weitem nichts Negatives. Er deutet lediglich darauf hin, dass der Wein spontan, also durch natürlich vorkommende Hefen, vergoren wurde und nicht auf im Labor erschaffenen Reinzuchthefen zurückgegriffen wurde.
Histamin-Allergiker:innen aufgepasst: Dadurch dass Pet Nats nicht gefiltert werden und oftmals die Hefe in der Flasche zurückbleibt, beinhalten sie oft mehr Histamin als klare Weine.
Pet Nats sind die Naturweine, die sogar den größten Kritiker:innen dieser Bewegung so gut wie immer schmecken. In Wahrheit haben sie sogar einen nicht zu ignorierenden Hype in der Weinwelt ausgelöst. Zurecht, wie wir finden!
Cheers!