Guter Wein ist immer trocken. Diesen Satz hast du wahrscheinlich schon mehrfach gehört, wenn du mit jemandem über Wein gesprochen hast. Im schlimmsten Fall hat er dich sogar dazu verleitet, einen Wein zu bestellen, der dir gar nicht schmeckt und du dich nur nicht blamieren wollest.
Aber stimmt es wirklich, dass nur trockener Wein wirklich gut sein kann? Was meint ‚trocken‘ überhaupt in Bezug auf Wein und wie wird er hergestellt? Diese und weitere Fragen beantworten wir dir hier.
Wein – Die einzige Flüssigkeit, die nicht trocken ist
Flüssig und trocken – Was zunächst nach einem Widerspruch in sich klingt, ist wohl eines der am häufigsten genutzten Attribute im Bezug auf Weinbeschreibungen. Tatsächlich ist der Begriff nicht völlig aus der Luft gegriffen. Je länger ein Wein gärt, desto mehr Zucker wird abgebaut und mehr Alkohol entsteht. Da Alkohol hygroskopisch, also wasserentziehend wirkt, leuchtet der Begriff der Trockenheit eines Weines schon ein.
Süße im Wein – Was ist überhaupt Restzucker?
Mit Begriffen wie ‚trocken‘, ‚halbtrocken‘, ‚lieblich‘ etc. wird der Zuckergehalt eines Weines beschrieben. Dieser wird in Gramm Zucker pro Liter Wein, kurz g/l, angegeben und gibt Auskunft darüber, wie süß der Rebensaft schmeckt.
Der Zucker im Wein wird gemeinhin als Restzucker bezeichnet, da er normalerweise bei der alkoholischen Gärung des Mosts (der Traubensaft) in Alkohol umgewandelt wird. Brechen die Winzer:innen die Gärung vorzeitig ab oder gelangt sie aus biochemischen Gründen von selbst zu einem Ende, bevor der gesamte Zucker vergoren wurde (man spricht dann von durchgegoren), bleibt sozusagen ein Rest an Zucker im Wein zurück.
Grenzwerte des Zuckers – Wann ist ein Wein trocken?
Grundsätzlich gilt in der gesamten Europäischen Union, dass ein Wein nach vollendeter Gärung nicht mehr als 4g/l Restzucker haben darf, insofern er als trockener Wein verkauft werden soll.
Diese Regel kennt allerdings auch eine Ausnahme, bei der der Reszuckergehalt sogar bis zu 9g/l erreichen darf, insofern der Wein genügend Säure hat. Dies wird mithilfe der Formel Säure + 2 ausgedrückt. Bis zum Grenzwert 9g/l darf der Zuckergehalt dann genau so hoch sein wie die Summe aus dem Wert der Säure + 2.
Klingt erst einmal kompliziert, aber diese Beispielrechnung hilft beim Verstehen: Angenommen ein Wein hat 6g/l Säure und 8g/l Restzucker. Er darf als trockener Wein verkauft werden, da 6g/l Säure + 2 = 8 ergibt und dieser Wert nicht kleiner ist als der der Restsüße.
Hätte der Wein nur 5g/l Säure gehabt, müsste er als halbtrocken verkauft werden, da das Ergebnis von 7 unterhalb des Restzuckers 8g/l gelegen wäre.
Dasselbe gilt, wenn er 8g/l Säure auf 10g/l Restzucker gehabt hätte. Trotz aufgehender Verrechnung mit 2 wäre der Maximalwert überschritten worden. Der Wein müsste als halbtrocken verkauft werden.
Trockener Wein schmeckt sauer... ist das wirklich so?
Dass trockener Wein immer eine spitze Säure haben muss,
ist ein Gerücht. Zum einen ist Säureempfindlichkeit eine
sehr individuelle Geschmackswahrnehmung und zum anderen muss die Bezeichnung ‚trocken‘ wie eben gezeigt gar nicht unbedingt mit dem Säuregehalt zusammenhängen. Wenig Zucker bedeutet nicht unbedingt viel Säure oder anders herum.
Es gibt durchaus einige Weine, die kaum bis keine Restsüße haben, aber aufgrund ihrer Vinifikation und ihres Ausbaus absolut nicht sauer schmecken. Im kleinen Holzfass (Barrique) ausgebaute Chardonnays oder Weiß-
burgunder sind gute Beispiele dafür.
Selbst lagerfähige Weine wie Rieslinge, deren Ruf es oftmals ist, äußerst viel Säure in sich zu haben, werden mit einigen Jahren Reife zu ganz anschmiegsamen Essensbegleitern, die trotz ihrer Trockenheit keine unangenehme Säure (mehr) transportieren.
Oftmals schmecken sogar junge, fruchtbetonte Weine wie Scheurebe oder Blaufränkisch viel süßer als man bei der Bezeichnung 'trocken' erwarten würde. Die Fruchtaromen im Wein werden häufig als Süße wahrgenommen und als Zucker fehlinterpretiert.
Ein hoher Säuregehalt kann im Übrigen auch noch bei Weinen mit mehr Restzucker, teilweise sogar bis in die süßeste Geschmacksrichtung mit mehreren hundert Gramm Zucker pro Liter vorhanden sein und trägt zu einer ausreichenden Balance des Weinaromas bei.
Etiketten und ausländische Weine
Wenn du in eine Weinhandlung oder auch den Supermarkt gehst, wird dir sicherlich auffallen, dass auf zahlreichen Etiketten das Wort ‚trocken‘ steht und du nur sehr selten etwas von ‚feinherb‘ bis ‚süß‘ liest. Das liegt daran, dass es in Deutschland, Österreich und der Schweiz üblich ist, Weine gut sichtbar mit dem Attribut ‚trocken‘ zu deklarieren, insofern sie es erfüllen. Allen anderen Geschmacksstufen wird eine gewisse Unattraktivität zugesprochen.
Das heißt, wenn du einen Wein findest, auf dem nicht explizit steht, welches Restzucker-Säurespiel er hat, bist du gut damit beraten, vom 'Sweetest Case' auszugehen. Dieser Wein wird höchstwahrscheinlich irgendwo zwischen halbtrocken und süß anzusiedeln sein.
Anders ist dies bei ausländischen Weinen. Gerade in der sog. alten Welt (Europa) hat es sich eingebürgert, trockene Weine nicht extra zu deklarieren, sondern dies nur bei Vertretern mit mehr Restzucker zu tun.
Sollte also beispielsweise auf einem spanischen Rioja oder einem französischen Chenin Blanc nichts stehen, was du als jeweiliges Wort für ‚trocken‘ identifizieren kannst, gehst du am besten davon aus, dass der Wein wenig Restzucker und/oder viel Säure hat.
Hier findest du für den Fall der Fälle eine kurze Übersicht über das Wort ‚trocken‘ in den wichtigsten europäischen Weinsprachen:
- Französisch → sec
- Italienisch → asciutto
- Spanisch → seco
- Portugiesisch → seco
- Griechisch → krasí/κρασί
- Englisch → dry
Trockener Wein = Light-Variante?
Schaust du dir einmal die Nährwerte von Wein an, wird dir auffallen, dass trockene Weine weniger Kalorien als beispielweise liebliche haben. Das ist ganz logisch, da in diesen ja auch schlichtweg mehr Zucker steckt.
Wein ist allerdings auch weiterhin ein Genussmittel und sollte bei mäßigem Verzehr nicht über Erfolg oder Misserfolg einer Diät entscheiden. Wer also lieber eine intensiv süße Trockenbeerenauslese als einen jungen spritzigen Riesling trinkt, soll das auch weiterhin tun. Je süßer ein Wein, desto eher sättigt er ohnehin.
Beispielsweise für Diabetiker:innen ist eine genaue Auskunft über den Restzuckergehalt allerdings äußerst wichtig. Ihnen ist angeraten, beim Genuss von Wein eher auf die trockenen Vertreter zurückzugreifen, weil deren Zuckergehalt meistens gering genug ist, um im Normalfall keine negativen Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel zu haben. Dies sollte allerdings immer individuell mit den jeweiligen Ärzt:innen besprochen werden.
Ist trockner Wein also die Spitze des Genusses?
Es ist so, dass die teuersten und größten Weine der Welt in den meisten Fällen trockene Weine sind. Die Großen Gewächse des VDP, also die höchste Qualitätsstufe für Wein in Deutschland, sind allesamt trocken ausgebaut und grundsätzlich trinken die meisten Weinliebhaber:innen trockene Weine.
Allgemein gilt aber immer: Die Spitze des Genusses ist das, was dir schmeckt! Wenn du gern halbtrockene Roséweine trinkst, ist das genau so in Ordnung wie der Genuss eines knochentrockenen Weißweins. Auch im Restaurant brauchst du dich nicht zu schämen, wenn du etwas Restsüßes bestellst, dein Geschmack hat seine Berechtigung.
Gib den trockenen Wein allerdings nicht zu schnell auf. Viele Weintrinker:innen sitzen oft dem Irrtum auf, dass ihnen trockener Wein grundsätzlich zu sauer sei. Wenn du das glaubst, probier doch z.B. einen gereiften Weißwein, der bestenfalls sogar noch im Barrique ausgebaut ist. Du wirst merken, dass trockener Wein auch alles andere als sauer sein kann.